Veröffentlichung

10 Legenden des Arbeitsrechts

16. September 2014, 16:09 UhrJohanna Thoelke

(Der Beitrag von Rechtsanwältin Johanna Thoelke wurde auf dem Agenturenblog Sputnika am 17.09.2014 veröffentlicht.)

1. „Arbeitsverträge sind nur schriftlich wirksam.“

Arbeitsverträge können schriftlich, mündlich und konkludent, also durch schlüssiges Handeln, ge­schlos­sen wer­den. Aus­nah­me sind befristete Ar­beits­verträge, für die die Schriftform gesetzlich vor­ge­schrie­ben ist.  Fängt also jemand vor Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages bei einer Agentur mit de­ren Ein­verständnis an zu ar­­bei­ten, wird ein unbefristeter Arbeitsvertrag geschlossen.

2. „Bei unbefristeten Verträgen gilt immer der Kündigungsschutz. „

Das Kündigungsschutzgesetz ist nur auf Betriebe mit mehr als zehn Mitar­beitern anwendbar.  Für Agen­tu­­ren mit weniger Mitarbeitern ist der Ab­schluss von befristeten Arbeitsverträgen zur Um­ge­­hung des Kün­digungs­schutzes völlig unnötig, da sie als Kleinbetriebe unbefristete Verträge auch ohne Grund in­nerhalb der gesetzlichen Kündi­gungs­fristen kündigen kön­nen.

3. „Ohne Probezeit gilt sofort das Kündigungsschutzgesetz. „

Das Kündigungsschutzgesetz gilt erst nach einer Wartezeit von sechs Mona­ten. Die Vereinbarung einer sechsmonatigen Pro­­be­zeit führt nur zu einer Ver­­kürzung der Kündi­gungs­frist auf zwei Wochen. Da beide Fris­ten aber gleich lang sind, wird das häufig verwechselt. Eine große Agentur kann da­her auch ohne Probezeit einen Mit­ar­bei­ter innerhalb der ersten sechs Mo­na­te ohne Grund ordentlich kündigen.

4. „Ich als Arbeitgeber kann mir aussuchen, ob ich jemanden als freien Mitarbeiter oder sozialver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Arbeitnehmer be­schäf­tige.“

Ein freier Mitarbeiter arbeitet weisungsunabhängig auf eigenes wirt­schaft­liches Risiko. Ein Ar­beit­neh­mer ist bezüglich Art, Ort und Zeit der Arbeit wie­sungsgebunden und in die betrieblichen Abläufe des Ar­beit­­­­­­gebers in­te­griert. Es kommt daher nicht auf die Bezeichnung, sondern die Ausge­stal­tung des Be­schäf­­­tigungsverhältnisses an. Will daher eine Agentur einen Kreativen als Freelancer beschäftigen, muss sie das Beschäftigungs­ver­hältnis auch wie oben geschildert ausgestalten. Ein Wahlrecht besteht nicht.

5. „Für Minijobber zahlt der Arbeitgeber die geringsten Lohnnebenkosten.“

Lohnnebenkosten sind die Kosten, die vom Arbeitgeber zusätzlich zum Bruttolohn des Arbeitnehmers zu tragen sind, also vor allem der Arbeit­ge­beranteil an den SV- Beiträgen. Für einen Minijobber zahlt der Arbeitgeber zu­sätzliche Sozialabgaben in Höhe von rund 30 Prozent. Zum Vergleich: Bei ei­nem regulär Beschäftigten beträgt der Arbeitgeberanteil rund 20 Prozent, bei einem Werkstudenten 9,45 Prozent und bei einem kurzfristig Beschäf­tigten oder Studenten im Pflichtpraktikum sogar 0 Prozent. Für einen Mini­jobber fallen im Verhältnis zum Brut­to­lohn also die höchsten Lohn­neben­kos­ten an. Es lohnt sich daher für ei­ne Agentur, genau zu prüfen, ob nicht statt eines Minijobbers ein anderer Beschäftigungstyp in Frage kommt.

6. „Arbeitnehmer sind verpflichtet, Überstunden zu machen.“

Der Arbeitnehmer ist gesetzlich nicht verpflichtet, Überstunden zu leis­ten.  Will die Agentur daher im Be­­darfsfall über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus auf den Arbeitnehmer zu­rückgreifen, muss das ver­traglich vereinbart werden.

7. „Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten.“

Überstunden sind gesetzlich genauso zu vergüten wie die reguläre Arbeits­zeit. Will man davon ab­­wei­chen, muss das vertraglich geregelt werden. Wenn eine Agentur Überstunden mit dem Ge­halt abgelten will, ist das nur zulässig, wenn die Anzahl der enthaltenen Überstunden begrenzt wird und ein Viertel der regulären Arbeitszeit nicht ü­ber­steigt.

8. „Teilzeitbeschäftigte haben weniger Urlaub.“

Der Arbeitnehmer hat einen gesetzlichen Anspruch auf mindestens 4 Wo­chen Erholungsurlaub, der ver­traglich auch erhöht werden kann. Es müssen daher so viel Urlaubstage ge­währt werden, dass er mindestens vier Wochen Urlaub nehmen kann. Die Anzahl der Urlaubs­ta­ge ergibt sich aus der Mul­ti­pli­kation der Arbeitstage mit der gewünschten Wochenanzahl. Beschäftigt also eine Agentur einen Grafiker an zwei Wochentagen jeweils zehn Stun­den, beträgt der gesetzliche Urlaubsanspruch insgesamt acht Tage. Arbeitet der Grafiker an fünf Tagen die Woche jeweils vier Stunden, beträgt der Ur­laubs­anspruch zwanzig Tage.

9. „Ein kreativer Arbeitnehmer hat keine Rechte an seinem Arbeitsergebnis.“

Der Arbeitnehmer als Inhaber der Verwertungsrechte überträgt dem Arbeitgeber am Ar­beits­er­geb­nis eine zeitlich unbe­grenz­­­­­­­­te Lizenz für al­­le Nutzungsarten und kann daher seine Ver­wer­tungs­rechte nicht mehr selbst ausüben. Die Urheberpersönlichkeitsrechte, zum Beispiel das Recht zur Na­mens­nen­nung, zur Veröf­fent­lichung und Be­ar­­beitung, können nicht über­tragen, sondern nur mit Zustimmung eingeschränkt wer­den. Will also eine Agentur das Arbeitsergebnis ihres angestellten Grafikers bearbeiten oder oh­ne Na­mens­­nennung veröffentlichen, sollte das vertraglich geregelt werden.

10. „Ein Arbeitnehmer hat nach Kündigung immer Anspruch auf eine Ab­fin­dung.“

Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf die Zahlung einer Abfindung. Sie werden in der Re­­­gel im Rahmen von Vergleichen zur Beendigung von Kündigungsschutzprozessen vereinbart. Eine Agentur muss daher ihrem Arbeitnehmer im Fall einer Kündigung keine Abfindung zahlen, kann sie aber als Mittel nutzen, um einen Kündigungsschutzprozess zu vermeiden.